Am Kundennutzen orientierte Preise durch Value Based Pricing
In vielen Unternehmen ist es gang und gäbe, Preise durch „Cost plus“ zu ermitteln, oder sich an den Preisen des Wettbewerbs zu orientieren. Der Kunde steht bei diesen Arten der Preisbildung nicht im Vordergrund. Welche Nachteile ergeben sich daraus? Was unterscheidet das Value Based Pricing von diesen Methoden und welche Potenziale entstehen dadurch?
Vor- und Nachteile von kosten- oder konkurrenzorientierten Preisen
Preise werden in der Praxis oftmals durch zwei einfache Verfahren gebildet. Beim Cost Plus Pricing orientiert sich das Unternehmen primär an den Herstellungskosten und berechnet zusätzlich einen Gewinnzuschlag. Das konkurrenzbasierte Pricing bezieht hauptsächlich die Preise und Angebote des Wettbewerbs in die Preisfindung ein, sodass die eigenen Preise an Durchschnittspreisen oder den Preisen bestimmter Wettbewerber orientiert sind. Beide Methoden haben den Vorteil, dass die benötigten Daten relativ leicht zu beschaffen sind, die sich ergebenden Preise vom Kunden überwiegend als fair angesehen werden und der von der Konkurrenzsituation ausgehende Preisdruck berücksichtigt wird.
Diese Art der Preissetzung kann jedoch dazu führen, dass suboptimale Preise kalkuliert werden, die entweder zu gering sind und damit Marge verschenken, oder aber zu hoch sind und damit Absatzchancen vernichten. Der größte Nachteil ist jedoch darin zu sehen, dass die Betrachtung der Bedürfnisse und Anforderungen des Kunden vernachlässigt wird. Denn für den Kunden stehen weder die eigenen Herstellungskosten noch die des Wettbewerbs im Fokus der Kaufentscheidung. Für ihn ist wichtig, wie hoch er den Wert des Produktes im Moment der Kaufentscheidung einschätzt.
Potenziale von Value Based Pricing
Auch wenn das kosten- oder konkurrenzorientierte Pricing nur selten in ihrer Reinform angewendet werden, sollten in einem ganzheitlichen Pricing Verfahren neben den eigenen Herstellungskosten und den Wettbewerbspreisen auch die Anforderungen des Kunden und unterschiedliche Preisbereitschaften berücksichtigt werden. An diesem Punkt setzt das Value Based Pricing an.
Value Based Pricing kann als „wertbasiertes Pricing“ übersetzt werden, das heißt, die Preissetzung orientiert sich primär an dem für den Kunden geschaffenen Wert der Angebote. Es wird versucht, den Preis durch die Ermittlung der Wertschöpfung eines Angebots für den Kunden festzusetzen oder seine angebotsbezogene Zahlungsbereitschaft empirisch zu ermitteln. Um das Value Based Pricing einsetzen zu können, muss der Wert oder Nutzen eines Produktes für den Kunden bekannt und messbar sein.
Die verschiedenen Anforderungen unterschiedlicher Kundengruppen an ein Produkt lassen sich durch Versionierung abbilden. Problematischer beim Einsatz des Value Based Pricing ist oftmals die Ermittlung des Wertes des Produkts für den einzelnen Kunden. Dies ist insbesondere auf die folgenden Faktoren zurückzuführen:
Der Wert eines Produktes für den Kunden ist eine subjektive Einschätzung. So kann sich für einen Kunden durch eine bekannte Marke eine höhere Zahlungsbereitschaft ergeben, während ein anderer Kunde den Wert des Produktes durch einen Markennamen nicht höher einschätzt.
Preisbereitschaften sind je nach Kontext verschieden. Beispielsweise wird die Zahlungsbereitschaft eines Kunden für ein eisgekühltes Bier in einem guten Restaurant höher sein, als für ein Bier der selben Marke aus dem Supermarkt. Auch verändert sich die Zahlungsbereitschaft mit der Dringlichkeit, mit der das Produkt benötigt wird.
Neben diesen Faktoren spielt auch die Akzeptanz eines kundenindividuellen Preises eine bedeutende Rolle. Im Bereich von Airlines oder Hotels haben sich Kunden inzwischen daran gewöhnt, dass der Kaufpreis je nach Reisedatum, Kundenstatus, Verkaufskanal und Reservationszeitpunkt variiert. Dies gilt jedoch nicht für alle Branchen, wie ein Beispiel von Amazon aus den USA zeigt. Kunden bemerkten, dass die Preise für Bücher sanken, sobald sie Cookies deaktivierten. Sobald die Cookies reaktiviert wurden, stiegen auch die Preise für die entsprechenden Bücher wieder an. Amazon hatte hier versucht, die Preise für die Bücher dem Kaufverhalten der Kunden anzupassen. Das Value Based Pricing wurde in diesem Falle von den Kunden nicht akzeptiert.
Auch wenn die Ermittlung eines am Kundennutzen orientieren Preises deutlich komplexer ist als die eines kosten- oder konkurrenzbasiertes Preises, lohnt sich dieser Prozess. Denn er ermöglicht eine annähernd optimale Ausschöpfung der Zahlungsbereitschaft des Kunden und birgt damit hohe Potenziale, um Margen zu erhöhen und den Ertrag zu steigern.
Fazit
Die Ermittlung und Auswertung der Basisinformationen für den Einsatz von Value Based Pricing ist aufwändiger als die der kosten- oder konkurrenzbasierten Preissetzung. Das Potenzial des Value Based Pricing ist darin zu sehen, dass dem Kunden ein Produkt nicht mehr zum niedrigstmöglichen Preis angeboten wird, sondern zu einem fairen Preis, der dem Nutzen des Produktes für den einzelnen Kunden entspricht. Hierfür muss dem Unternehmen bekannt sein, was die Anforderungen des Kunden an das Produkt sind und wie er den Nutzen und den Wert beurteilt. Durch gezielte Versionierung von Produkten, Bildung von Produktbundles und Nutzung verschiedener Absatzkanäle kann für jede Kundengruppe ein Produkt zu einem für sie optimalen Preis angeboten und damit die individuelle Zahlungsbereitschaft abgeschöpft werden.